Sind Platzrunden im unkontrollierten Luftfaum verbindlich ?

(Referat von Rechtsanwalt und Notar Rolf-Rainer Barenberg, Wiesbaden, gehalten am 16.11.2002, vor dem AOPA-Arbeitskreis der „Fliegenden Juristen und Steuerberater“ in Egelsbach)

I.

Einführung

Ich habe mich mit der Platzrunde beschäftigt, nachdem an verschiedenen Flugplätzen aus den verschiedensten Gründen über die Platzrunde und die Frage ihrer Einhaltung kontrovers diskutiert wurde.
Auch in der einschlägigen Fachliteratur wird in letzter Zeit die Platzrunde diskutiert, wobei insbesondere durch Maßnahmen der zuständigen Behörden in Herzogen-Aurach und in Egelsbach die Diskussion über die Platzrunde neu entflammt ist.
Der Stein des Anstoßes war in Herzogen-Aurach die Behauptung zunehmender Verletzungen des Luftraumes Nürnberg und in Egelsbach die Zunahme von Beschwerden von Flugplatzgegnern über Lärm, welcher angeblich durch die Nichteinhaltung der Platzrunde entstanden sei.
Sowohl in Herzogen-Aurach wie auch in Egelsbach ist darüber hinaus bekannt geworden, daß Luftfahrzeugführer angeschrieben bzw. angesprochen wurden mit dem Hinweis, er habe die Platzrunde nicht eingehalten und dieser „Tatbestand“ sei auf dem Radar verfolgt und ein sogenannter Radarplott erstellt worden.
Von einem Mitarbeiter eines Regierungspräsidiums soll geäußert worden sein, daß dieser eine Abweichung von 200 m akzeptieren wolle, daß jedoch alles, was darüber hinaus gehe, von ihm als Ordnungswidrigkeit eingestuft werde.

Es erscheint daher erforderlich, daß man sich zunächst einmal, bevor man sich der Frage der Platzrunde und deren Rechtsgrundlage stellt, darüber klar wird, was für einen Pilot in dieser Platzrunde machbar erscheint oder nicht, was diese Platzrunde bedeutet und was mit dieser Platzrunde erreicht werden soll.

II.

Zunächst muß man sich einmal überlegen, was kann der Pilot unter Benutzung der für den Sichtanflug herkömmlichen Mitteln überhaupt zu leisten im stande ist?
Zum einen sind die Piloten unterschiedlich, und zwar nicht nur in ihrer täglichen Leistungsfähigkeit, sondern auch aufgrund von Flugerfahrung sowie der Frage, ob es sich hier um einen für ihn fremden Flugplatz oder um den „Heimatflugplatz“ und somit um vertrautes Territorium handelt.
Des weiteren ist erforderlich, zu berücksichtigen, welche Ausbildung der Pilot genossen hat, ob es sich um eine reinen VFR-Piloten oder um einen IFR-Piloten handelt und welche Hilfsmittel ihm für einen Anflug zur Verfügung stehen.

Vor ca. einem Jahr wurden bei einer Untersuchung neun Piloten von der TH Braunschweig – Abt. Mensch/Maschine – wissenschaftlich fundierte Versuche angestellt, wie sich Piloten, die eine unterschiedliche Flugausbildung, Flugerfahrung und auch einen unterschiedlichen Übungszustand hatten, in der Platzrunde verhalten. Den zu untersuchenden Piloten standen drei verschiedene Navigationshilfsmittel zur Verfügung; zum einen ein Pilot, der nach der sogenannten „Karte-Knie-Methode“, ein Pilot, der mit einem konventionellen Display und ein Dritter, der mit einem sogenannten intuitiven Display navigierte.
Dabei ergaben sich viele interessante Details und erstaunliche Erkenntnisse:

? Grundsätzlich konnte festgestellt werden, daß bei der „Karte-Knie“-Methode Piloten ohne     Ortskenntnis die dreifache Abweichung als Piloten mit Ortskenntnis hatten
? Bei der Displaymethode spielte Ortskenntnis nur noch eine untergeordnete Rolle
? Bei dem intuitiven Display spielte Ortskenntnis überhaupt keine Rolle mehr.

Nun hat man weiter untersucht, wie groß die Abweichungen von der sogenannten „Soll-Bahn/Flugstrecke“ sind.
Es wurde dabei mit plus/minus 125 m, mit plus/minus 250 m und mit plus/minus 500 m gemessen.

Bei dieser Auswertung ergab sich, daß bei der „Karte-Knie-Methode“ die Fehlerklasse am höchsten war, insbesondere bei Piloten ohne Ortskenntnis. Während hier in einem erheblichen Maße Fehler auftraten und bis zu 500 m plus/minus zu verzeichnen waren (Fehlerquote für die Breite des Flugweges somit 1 km) kam es auch bei dieser „Karte-Knie“-Methode auch zu völligen Orientierungsverlusten.

Dies nahm rapide ab, wenn auf eine der beiden Displaymethoden gewechselt wurde. Dabei lag die gemessene Fehlerquote um das sechs- bis siebenfache niedriger als bei der „Karte-Knie“-Methode. Ein solches Ergebnis ist durchaus unter sehr positiven Aspekten zu sehen.

Bei den weiteren Untersuchungen konnte jedoch festgestellt werden, daß die verschiedenen oben erwähnten Methoden auch die unterschiedlichsten Nebeneffekte hervorriefen.

Während bei der „Karte-Knie“-Methode der Pilot nur ca. 25 % seiner Gesamtblickdauer für den Innenraum aufwandte und 75 % für die Außenumgebung, war es bei den Displaymethoden genau umgekehrt. Hier betrug die Blickdauer für den Innenbereich 75 %, wobei der Außenbereich mit nur noch 25 % offensichtlich überhaupt nicht mehr auf keinen Fall aber ausreichend beobachtet wurde. Diese Piloten flogen mehr oder weniger „blind“ bzw. ohne nahezu ohne jegliche Beobachtung nach außen in der Platzrunde herum.

Dies, so scheint es, ist der negative und wie ich meine bedenkliche Aspekt. Bei der „Karte-Knie“-Methode muß man sich auch einmal verdeutlichen, daß bei der Anflugkarte in dem üblichen Maßstab 200 m, in der Natur nur noch 2 mm bzw. 1 mm auf der Karte darstellen.

III.

Als nächstes muß untersucht werden, über welche Arten von Platzrunden wir überhaupt sprechen. Wie sie ausgestaltet sind und wie der Ausdruck auf diesen Sichtanflugkarten erscheint. Hierzu werden einige signifikante Beispiele dargestellt.

Karte: Borkum, Brunte, Niederstätten, Emden

Allein in den Buchstabengruppen von A bis I erscheinen 25 Flugplätze / VLP´s, die über keinerlei „Platzrunden“ verfügen. Es ist somit nicht so, daß grundsätzlich jeder der VLP´s eine Platzrunde auf der Sichtanflugkarte hat.

Während die Sichtanflugkarte von Borkum keinerlei Hinweise auf eine Platzrunde enthält, ist in Brunte eine Art Platzrunde eingezeichnet, die völlig von dem üblichen abweicht. Ein ähnlich merkwürdiges Gebilde stellt auch die Platzrunde von Niederstätten dar, die sicherlich in dieser Form auch nicht annähernd durch ein handelsübliches Luftfahrzeug geflogen werden kann. Der Sichtanflug von Emden hat ebenfalls eine kleine Besonderheit, da er die Platzrunde mitten über einen Ort führt, der als Schutzzone ausgewiesen ist.

Karte: Guernsey

Betrachtet man vergleichbare Flugplätze im Ausland, so stellt man fest, daß an keinem ausländischen VLP eine Platzrunde – wie bei uns üblich – ausgewiesen ist.

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist ein Anflugverfahren, wie es in Oberschleißheim aufgezeichnet ist, was sich auch nicht annähernd als fliegbar darstellt. Nahezu allen Platzrunden gemeinsam ist, daß es keinerlei charakteristische Markierungen am Boden gibt, woraus erkennbar wäre, wann und wo z. B. die fünf Eckpunkte des VLP Mainz für die Platzrunde liegen, wobei vier der fünf Eckpunkte sich auf dem flachen Feld befinden und damit auch nicht annähernd, weder auf dem Acker noch im Wald, identifiziert werden können.

Karte: Mainz

Damit ist Dies ist somit bei allen Anflugkarten immanent, daß sich

Ø alle Anflüge im unkontrollierten Luftraum befinden

Ø alle „Platzrunden“ über keine definierten Wegpunkte verfügen

Ø alle Platzrunden sich auch nicht annähernd über herkömmliche Navigationshilfen definieren lassen.

IV.

Zunächst ist erforderlich, in der Luftverkehrsordnung zu prüfen, welche rechtlichen Grundsätze für die Platzrunde Gültigkeit haben können. Hierzu können die nachfolgenden Bestimmungen der LuftVO herangezogen werden.

Grundregeln für das Verhalten im Luftverkehr

§ 1 Abs. 1

Zunächst hat sich jeder Teilnehmer am Luftverkehr so zu verhalten, daß Sicherheit und Ordnung im Luftverkehr gewährleistet sind und kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.

§ 1 Abs. 2

Der Lärm, der bei dem Betrieb eines Luftfahrzeuges verursacht wird, darf nicht stärker sein, als es die ordnungsgemäße Führung oder Bedienung unvermeidbar erfordert.

Als weitere Vorschrift muß man sich § 3 Rechte und Pflichten des Luftfahrzeugführers ansehen.

§ 3 Abs. 1 bestimmt:

Der Luftfahrzeugführer hat das Entscheidungsrecht über die Führung des Luftfahrzeugs. Er hat die während des Flugs, bei Start und Landung und beim Rollen aus Gründen der Sicherheit notwendigen Maßnahmen zu treffen.

Als nächster Paragraph kommt § 4 Anwendung der Flugregeln zum Tragen.

§ 4 Abs. 1
br> Der Betrieb eines Luftfahrzeuges richtet sich nach den allgemeinen Regeln §§ 6 bis 27 a und bei der Führung eines Luftfahrzeuges während des Fluges zusätzlich nach den Sichtflugregeln §§ 28 bis 34 Luftverkehrsordnung.

§ 4 Abs. 2 bestimmt:

Nach Sichtflugregeln darf geflogen werden, wenn die in der Anlage 5 für den Einzelfall festgelegten Werte für Sicht, Abstand des Luftfahrzeuges von Wolken sowie Höhe der Hauptwolkenuntergrenze erreicht oder überschritten werden.

Als weitere Regelung muß man § 6 Sicherheitsmindesthöhe, Mindesthöhe bei Überlandflügen nach Sichtflugregeln heranziehen.

§ 6 Abs. 1 lautet

Die Sicherheitsmindesthöhe darf nur unterschritten werden, soweit es bei Start und Landung notwendig ist.

Als nächste Vorschrift, die eine Bedeutung in der Benutzung des Sichtanflugverfahrens haben könnte, ist § 11 Luftsperrgebiete und Flugbeschränkungen.

§ 11 Abs. 1

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungwesen legt Luftsperrgebiete und Gebiete mit Flugbeschränkungen fest, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für die Sicherheit des Luftverkehrs erforderlich ist.

Zunächst kommen jedoch als entscheidende Vorschriften die §§ 21 a und 22 der LuftVO in Betracht.

§ 21 a enthält die Regelung des Flugplatzverkehrs und dort lautet der Text in § 21 a Abs. 2 LuftVO:
Flugplatzverkehr ist der Verkehr von Luftfahrzeugen, die sich in der Platzrunde befinden, in diese einfliegen oder sie verlassen…..

Damit ist der Flugplatzverkehr definiert.

Nach § 22 Flugbetrieb auf einem Flugplatz und für dessen Umgebung lautet der Abs. 1:

Wer ein Luftfahrzeug auf einem Flugplatz oder in dessen Umgebung führt, ist verpflichtet,

die in den Nachrichten für Luftfahrer bekannt gemachten Anordnungen der Luftfahrtbehörden für den Verkehr von Luftfahrzeugen auf dem Flugplatz oder in dessen Umgebung, insbesondere die nach § 21 a getroffenen besonderen Regelungen für die Durchführung des Flugplatzverkehrs zu beachten.

Des weiteren wird in § 22 ausgeführt,

? wie der Flugplatzverkehr zu beobachten ist

? wie Verfügungen der Luftaufsicht zu beachten sind

? daß gegen den Wind zu starten und zu landen ist

? daß auf Licht- und Bodensignale geachtet werden muß

? daß man mit der Luftaufsichtsstelle oder bei der Flugleitung sich zu melden und bestimmte Angaben zu machen hat.

Die uns aus vielen Sichtanflugkarten „vertraute Platzrunde“, die dort graphisch dargestellt ist, findet man in diesen Gesetzen vergebens.

§ 43 Ziff. 26 bestimmt daher auch nur sehr allgemein:

Ordnungswidrig im Sinne des § 58 Abs. 1 des Luftverkehrsgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Vorschrift des § 22 Abs. 1 über den Flugbetrieb auf einem Flugplatz oder in dessen Umgebung zuwider handelt…

V.

Auch nach den Regeln der ICAO sind die Flugzeuge in verschiedene Kategorien geordnet, wobei Flugzeuge der Kategorie A in Anflugkonfiguration – max. 20 Grad bank – ein Kurvenradius von 0,69 natuische Meilen haben.

VI.

In NFL II-37/2000 wird jedoch die Platzrunde näher ausgeführt:

Einleitung

Für Regelungen des Flugverkehrs an Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrollstelle sind die Luftfahrtbehörden der Länder zuständig (§ 21 LuftVO).

Nachfolgende Ausführungen sind dazu bestimmt, den zuständigen Stellen praktische Orientierungshilfe an die Hand zu geben sowie den Handlungsrahmen und die Ausführung solcher Maßnahmen zu definieren.

Die Festlegung von Regelungen für den Flugplatzverkehr ist nur erforderlich, wenn für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs die Bestimmungen nach § 22 LuftVO nicht ausreichen.

Dies bedeutet, daß zunächst von § 22 LuftVO auszugehen ist und eigentlich nur in Ausnahmefällen für die Sicherheit des Verkehrs Regelungen getroffen werden sollen.

Die Platzrunde hat dabei bestimmte Aufgaben und Kriterien zu erfüllen bzw. zu leisten und die in der NFL aufgeführte Platzrunde ist somit lediglich die Definition der Platzrunde, ohne ihren Verlauf verbindlich festzulegen oder zu bestimmen. Unser Strich auf der Sichtanflugkarte soll somit nur eine Orientierungshilfe für Behörde und Pilot geben. Nicht mehr und nicht weniger.

Ziffer 3.1 Abs. 2 auf NFL 37/2000 erklärt daher Abweichungen aus vielen Gründen für zulässig, wie z.B. aus meteorologischen, verkehrsbedingten und technischen Gründen sowie aufgrund der Leistungsmerkmale von Luftfahrzeugen. Somit ist ein Abweichen von der Platzrunde jederzeit möglich und es gelten grundsätzlich für die Platzrunde nur die gesetzlichen Regeln der LuftVO.

Ziffer 3.2 Abs. 4 aus Nfl 37/2000 bedeutet, daß jederzeit Geradeausanflüge auf der verlängerten Landebahnmittellinie vorgenommen werden können, wenn es der Platzrundenverkehr, d.h. der Flugplatzverkehr erlaubt, was aber nichts anderes bedeutet, als daß jeder außerhalb der Platzrunde geflogen werden kann und darf und die Anfrage bei Info – die sowieso keine Verkehrslenkung durchführen darf – sich jedenfalls erübrigt.

Ziffer 3.4.1 aus Nfl 37/2000 ist die Bitte, den Überflug von lärmempfindlichen Gebieten, insbesondere von Ortschaften, möglichst zu vermeiden, dem jeder Pilot sicherlich gerne nachkommt.

Dies bedeutet aber nur, daß das Überfliegen von Ortsschaften vermieden werden soll; das Überfliegen von Ortschaften aber grundsätzlich erlaubt. Verboten wäre es schließlich nur, wenn eine sogenannte ED-R-„Restricted“ area eingerichtet wäre; dafür sind aber die Landesluftfahrtbehörden nicht nur nicht zuständig, sondern eine solche Maßnahme ist mir auch nicht bekannt.

Die Motorplatzrunde, wie unter 2.2.1 aus Nfl 37/2000 definiert, kann nur ein mögliches Hilfsmittel darstellen, unter welchen Kriterien eine Platzrunde eingerichtet werden soll, damit ein Pilot sich nicht nur orientieren, sondern sich bei ungefährer Einhaltung – Höhe und Richtung – auch auf eine Hindernisfreiheit verlassen kann, um so einen gefahrlosen Anflug durchzuführen.

Die eingezeichneten Platzrunden sind somit Orientierungshilfen, sie haben keinen verbindlichen Charakter, sie stellen nur ein Hilfsmittel im Sinne des § 22 LuftVO, i.V.m. dem Nfl 37/2000 dar. Sie sind somit ohne Bedeutung im Sinne des Gesetzes, da das Gesetz an sich den Inhalt der Platzrunde ausreichend regelt. Die Nichtbeachtung des Striches auf der Landkarte allein kann nicht Gegenstand eines Bußgeldverfahrens sein.

Fazit:

? Die Platzrunde findet im unkontrollierten Luftraum statt

? Die Flugsicherung ist nur zuständig für die Flugverkehrskontrolle im kontrollierten Luftraum

? Während die Landesluftfahrtbehörde nur zuständig ist für die Genehmigung von Flugplätzen, ohne Einfluß auf den fliegenden Verkehr

? Es ist nirgendwo ein „Track“ über Grund festgelegt, der nach VFR zu fliegen ist.

? Die Platzrunden haben keinerlei festgelegten Navigationspunkte, daher haben sämtliche Platzrunden keinen einheitlichen Bezug hinsichtlich der Größenordnung und Anordnung.

 

© RA + Notar Rolf-Rainer Barenberg, Henkellstr. 15, D-65187 Wiesbaden